Getreideernte 2024: Wien rechnet mit überdurchschnittlichem Ernteertrag und durchschnittlicher Qualität
Josef Moosbrugger, Präsident der LK Österreich, Irene Maria Trunner, Vizepräsidentin der LK Wien und Nikolaus Berlakovich, LK Österreich-Pflanzenbau-Ausschuss-Vorsitzender sowie Präsident der LK Burgenland, informierten im Rahmen der Erntepressekonferenz unter dem Motto „Turbulentes Klima, turbulente Märkte – Herausforderungen für Österreichs Ackerbau“ in Wien am Betrieb von Rudi Wieselthaler über die Ernte 2024.
Derzeit wird für ganz Österreich mit einer geringeren, durchschnittlichen Getreideernte von knapp 2,87 Mio. Tonnen gerechnet. Das entspricht einem Minus von 5,4% gegenüber der Vorjahresmenge und einem Minus von 4,8% gegenüber dem Fünf-Jahresschnitt. Insbesondere die feuchten Anbaubedingungen im Herbst, aber auch unattraktive Marktpreise haben zu einer im Vergleich zu 2023 um 2,5% geringeren Getreideanbaufläche von 507.000 Hektar geführt. Während Getreide, Mais, Sonnenblumen und Raps zu den flächenmäßigen Verlierern zählen, wurden Zuckerrüben, Ölkürbisse und Erdäpfel wieder verstärkt angebaut.
Trunner: Regionale Wertschöpfungsketten als entscheidender Lösungsansatz
LK Wien-Vizepräsidentin Trunner legte dar, wie der Wiener Ackerbau Antworten auf die aktuellen bzw. turbulenten Marktschwankungen bietet und an der Entwicklung regionaler Wertschöpfungsketten arbeitet. Trunner wörtlich: „In den derzeit turbulenten Märkten erleben wir starke Preisschwankungen bei Energie, Betriebsmitteln und Agrarprodukten. In diesem volatilen Umfeld brauchen unsere Betriebe eine hohe Planungs- und Kalkulationssicherheit. Wir in Wien setzen hier auf den Ausbau von regionalen Wertschöpfungsketten als entscheidenden Lösungsansatz.“ Konkret haben sich in den letzten Jahren drei Wertschöpfungsketten etabliert: Wiener Bier aus Wiener Braugerste, Bio-Soja Tofu und das Oberlaaer Bauernbrot.
Trunner: „Diese Projekte sind von großer Bedeutung, da sie nicht nur dazu beitragen, die Abhängigkeit von starken Preisschwankungen zu reduzieren, sondern die Produkte der Wiener Ackerbauern und -bäuerinnen v.a. sichtbar und genießbar machen, was ihre Arbeit und Qualität unterstreicht und ihnen gleichzeitig eine größere Marktpräsenz ermöglicht.
Projekt Bio Soja tofu aus Wien
Das Projekt Bio Soja tofu aus Wien ist eine Kooperation mit Ja!Natürlich: 2024 nehmen fünf Wiener Biobetriebe daran teil und bauen auf einer Fläche von 47 Hektar Sojabohnen für den Bio-Tofu der Marke Ja Natürlich an. Die Soja-Bohnen werden nach der Ernte bei der Firma Bio-Agrarservice bis zu ihrer Verarbeitung nach Bauern getrennt gelagert und durch die Firma "Evergreen" der Familie Chu, die sich auf Sprossen und Tofu spezialisiert hat, verarbeitet. Am Produkt ist der jeweilige Wiener Bio-Soja-Produzent angeführt (Herkunft!). Soja wächst verlässlich und bringt im Bundesland Wien einen durchschnittlichen Ertrag von rund 3.000 kg/ha.
Projekt Wiener Original aus Wiener Braugerste
Die Wiener Braugerste wird exklusiv für das Ottakringer ‚Wiener Original‘ verwendet. Am Projekt nehmen 16 Landwirte mit einer Braugerstenfläche von 99,95 Hektar in Wien teil. Nach der Ernte der Wiener Braugerste wird diese in der Stadlauer Malzfabrik (STAMAG) vermalzt und in der Ottakringer Brauerei wird daraus das Wiener Original gebraut und abgefüllt. Innerhalb eines Jahres findet die Wiener Braugerste so den Weg vom Saatkorn direkt ins Bierglas.
Oberlaaer Bauernbrot
Der Wiener Landwirt und LK-Kammerrat Markus Sandbichler hatte die Idee für ein Brot aus der Region. Gemeinsam mit Kollegen produziert er das Oberlaaer Brot. Das Besondere daran ist, dass vom Feld über den Müller bis hin zum Verkauf alles nicht mehr als zwölf Kilometer im Umkreis von Oberlaa gelegen ist.
Unterstützung: Neues AMA-Gütesiegel für Ackerfrüchte
„Diese Projekte bieten eine klare und nachvollziehbare Transparenz der Herkunft. Seit 2024 wird diese Transparenz zudem durch das AMA-Gütesiegel für Ackerfrüchte unterstützt, ein äußerst wichtiges Instrument zur Sicherstellung der Herkunft und Qualität unserer landwirtschaftlichen Produkte. Wir sind stolz darauf, dass Wien bundesweit eine Spitzenposition einnimmt: Über 50 % nehmen bereits an diesem Programm teil; das ist die höchste Teilnahmerate in ganz Österreich. Unser Ziel ist es, künftig noch mehr Betriebe zur Teilnahme zu animieren, um das Vertrauen der Konsumenten in regionale Produkte weiter zu stärken“, ergänzte Trunner. Und erwähnte noch das exklusive Wiener Projekt Humusaufbau und Erosionsschutz, das einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Alle teilnehmenden Betriebe verpflichten sich hierbei dazu genaue Aufzeichnung zu führen, Bodenproben zu ziehen und keine wendende Bodenbearbeitung durchzuführen. 2023 nahmen 31 Betriebe in Wien an dieser Maßnahme mit einer Fläche von 844 ha teil. Trunner: „Durch all diese Maßnahmen möchten wir sicherstellen, dass die Wiener Landwirtschaft nicht nur auf aktuelle Herausforderungen reagiert, sondern auch zukunftsfähig bleibt.“
Viele Flächen wegen Extremregen unbestellt oder geschädigt
„Die Hauptursache für die geringere Getreideernte 2024 ist die überaus feuchte Witterung im Herbst, also zu Beginn der aktuellen Ackerbausaison. Im November und Dezember erschwerten häufige Niederschläge die Soja-, Zuckerrüben- und Maisernte und daher auch den nachfolgenden Anbau, vorwiegend von Winterweizen. Unsere Bäuerinnen und Bauern schauen auf ihre Böden, haben auf den Anbau in übernässte Böden verzichtet und nach Alternativen gesucht, die im Frühjahr angebaut werden können. Jänner und Februar zeigten sich sehr trocken, wobei eine kurze Phase mit extremen Minustemperaturen dazu führte, dass einige Getreideflächen abfroren, insbesondere im Herbst angebaute Sommergerste. Die darauffolgende Wärmephase bewirkte, dass die Vegetation um mindestens drei Wochen früher dran war als in den vergangenen Jahren", berichtete LK Österreich-Pflanzenbau-Ausschuss-Vorsitzender sowie Präsident der LK Burgenland Nikolaus Berlakovich.
Getreide: weniger Weichweizen inkl. Dinkel, Mais, Roggen und Triticale – mehr Sommer- und Wintergerste und Hartweizen
„Zu den flächenmäßigen Verlierern zählt in Summe Getreide, das (ohne Mais) um 13.000 ha bzw. 2,5% weniger angebaut wurde und im Vergleich zum langjährigen Mittel sogar um 25.000 ha bzw. 4,7% abgenommen hat. Die schlechten Maispreise der letzten Ernte machten aber - trotz im Herbst unbestellter Flächen - Mais (Körnermais inklusive CCM) zur Kultur mit dem größten absoluten Flächenverlust von über 12.400 ha bzw. 5,9%. Silomais wurde etwas ausgeweitet um 2.300 ha bzw. 2,7%", legte Berlakovich dar. Die bedeutendste Getreidekultur Weizen habe in Summe inklusive Dinkel wegen der nassen Herbstwitterung um 9.600 ha bzw. 3,7% gegenüber 2023 abgenommen. Aber auch Roggen sei aufgrund unattraktiver Preise um 16,3% weniger angebaut worden, ebenso wie Triticale mit einem Minus von 4,9%.
"Profitiert von dieser Entwicklung hat erstmal wieder Sommergerste, die um 1.800 ha bzw. 8% ausgeweitet wurde, aber im Vergleich zu früheren Jahren mit in Summe 24.600 ha weiterhin wenig Bedeutung in der Fruchtfolge hat. Auch die Wintergerstenfläche wurde um knapp 1.600 ha bzw. 1,6% ausgeweitet und ist nach Weichweizen und Körnermais die drittwichtigste Kultur. Hartweizen setzt seinen Aufwärtstrend mit einem Plus von 2.900 ha bzw. 12,3% fort", so der LK Burgenland-Präsident.
Weniger Soja, Raps und Sonnenblumen – mehr Zuckerrüben, Ölkürbis, Erdäpfel und Leguminosen
"Die bedeutendste Alternativkultur Soja wurde mit rund 86.600 ha wiederum um rund 530 ha weniger angebaut. Im europäischen Vergleich ist Österreich damit im Sojaanbau aber immer noch ganz vorne mit dabei. Raps setzt seinen Abwärtstrend fort und erreicht mit 23.700 ha einen neuen Negativrekord. Die Rapsfläche wurde in den letzten Jahren immer weiter reduziert, in dieser Saison um rund 2.800 ha bzw. 10,5%. Auch die Sonnenblumenfläche wurde um 1.500 ha bzw. 6,2% auf nur mehr 22.700 ha reduziert", so Berlakovich.
"Am deutlichsten zulegen konnte die Zuckerrübe mit einer Ausweitung um 23% bzw. 8.300 ha auf 44.500 ha. Noch mehr Zuckerrüben wurden zuletzt vor 2015 angebaut. Auch die Ölkürbisfläche konnte wieder gesteigert werden - um 4.700 ha bzw. 16,2% auf insgesamt 33.700 ha. Ebenso wurde der Erdäpfelanbau ausgeweitet, nämlich um 1.300 ha bzw. 6,9% auf rund 20.000 ha, was auf den Speiseerdäpfel-Bereich zurückzuführen ist. Auch die Leguminosen Körnererbse und Ackerbohne nahmen jeweils um mehr als 10% an Fläche zu. Es wurden 7.100 ha Körnererbsen und 7.400 ha Ackerbohnen angebaut", legte der Ausschuss-Vorsitzende dar.
AMA Gütesiegel für Orientierung der Konsumenten unverzichtbar
"Die Getreidepreise sind und bleiben sehr volatil. Deshalb gilt es mehr denn je, die regionalen Märkte zu bearbeiten. Die Ausweitung des AMA-Gütesiegels samt Qualitäts- und Herkunftssicherung muss auch mittels gezieltem Marketing dazu verwendet werden, die hohen österreichischen Standards für die heimische Bevölkerung sichtbar und gezielt erhältlich zu machen. Ziele sind Marktanteil-Sicherung sowie mehr Wertschätzung und Wertschöpfung für heimische Ackerfrüchte", so LK Österreich Präsident Moosbrugger. "Gleichzeitig fordern wir die EU auf, sich dringend zu überlegen, wie mit dem Agrarexportriesen Ukraine mittel- bis langfristig umgegangen werden soll. Diese hat völlig andere Produktionsstandards und Kostenstrukturen und stellt - ohne ausreichende Schutzmaßnahmen - eine Bedrohung für unsere bäuerliche Familienlandwirtschaft dar."
Ausreichend Schutzmöglichkeiten für Lebensmittel wichtig
"Schädlinge und Schaderreger sind auch in dieser Saison eine große Herausforderung. Beispielsweise haben die warmen Herbsttemperaturen zu verstärkten Blattlausaktivitäten und von ihnen übertragenen viralen Pflanzenkrankheiten geführt. Die warmen Tagestemperaturen im zeitigen Frühjahr nutzten auch etwa den Zuckerrüben- und Rapsschädlingen. Gerade Raps wird von immer weniger Bäuerinnen und Bauern angebaut, da die Kulturführung nach dem Wegfall effizienter Saatgutbeizmittel sehr herausfordernd und teuer geworden ist. Bei vielen Schadinsekten, wie beispielsweise Rapsglanzkäfer, Getreidehähnchen etc., sieht man, dass bisher eingesetzte Pflanzenschutzmittel nicht mehr ausreichend wirksam sind. Dieses Phänomen kennt man auch bei Ungräsern. Die Herausforderungen mit Schädlingen und Schaderregern werden immer größer. Deshalb ist es wichtig, dass künftig ausreichend effektive Möglichkeiten zum Schutz unserer Nahrungsmittel zur Verfügung stehen", fordert Moosbrugger im Sinne der Versorgungssicherheit.
Entwicklung der Ackerkulturen im Bundesland Wien
Der Herbst gestaltete sich bis zum Nationalfeiertag sehr trocken. Danach änderte sich die Wetterlage, und es blieb bis zum Jahresende sehr regnerisch. Dies erschwerte insbesondere die Zuckerrüben-Ernte, die erst wenige Tage vor Weihnachten beendet werden konnte. Spätaussaaten von Wintergetreide waren ebenfalls sehr erschwert bis gar nicht mehr möglich. Anhand der Messstelle der ZAMG lässt sich erkennen, wie umfangreich die Niederschläge waren. Ende Oktober befanden sich die Niederschlagsmengen noch ca. am Niveau des 30-jährigen-Niederschlagsdurchschnitts. Am Jahresende wurde dieser mit 600 mm um rund 90 mm übertroffen. Mitte Jänner gestaltet sich der Witterungsverlauf ruhiger, mit längeren Trockenphasen. Hier konnten einige Betriebe die im Herbst nicht mehr mögliche Aussaat nachholen.
Durch den überdurchschnittlich warmen Monat Februar konnten sich die Kulturen sehr üppig entwickeln. Leider haben die hohen Temperaturen auch die Entwicklung der Schädlinge und das Auftreten von Pflanzenkrankheiten begünstigt. Aus diesem Grund waren bereits Anfang März erste Pflanzenschutzmaßnahmen im Winterraps erforderlich. Die Böden wiesen im Frühjahr eine gute Bearbeitbarkeit auf wodurch der Feldaufgang der Frühjahrskulturen gesichert war. verhalfen zu einer optimalen Entwicklung sämtlicher Kulturen.
Besonderheiten rund um das Wetter und die Vegetation
Die Spätfröste im April richteten bei den Ackerkulturen keine Schäden an. Auch die Schäden an Zuckerrüben, verursacht durch den Rübenderbrüssler, hielten sich in Grenzen. Vereinzelt wurde mussten Zuckerrübenflächen umgebrochen und neu angebaut werden. Die üppigen Regenfälle in den Monaten März, April und Mai führten zu einer sehr guten Entwicklung sämtlicher Ackerkulturen. Die feuchtwarme Witterung begünstigte jedoch die Entwicklung von Blattkrankheiten bei gewissen Getreidekulturen.
Wien: Flächenentwicklung 2024
Der Anbau von Getreide spielt im Bundesland Wien neben dem Anbau von Hackfrüchten und Feldgemüse eine sehr wichtige Rolle. Die flächenmäßig stärkste Kultur ist nach wie vor der Winterweichweizen. Hierbei sind die Anbauflächen im Vergleich zum Vorjahr etwas rückläufig. Auch bei den Frühjahrskulturen Sojabohne, Sonnenblume und Ackerbohne haben sich die Anbauflächen leicht reduziert. Im Gegenzug sind die Anbauflächen bei Hartweizen, Triticale, Raps, Körnererbse, Zuckerrübe, Stärkekartoffel, Körnermais und Ölkürbis im Vergleich zum Vorjahr angestiegen.
Ernteerwartung 2024
Aufgrund der bis dato optimalen Witterungsbedingungen wird mit einer recht guten überdurchschnittlichen Ernte betreffend der Menge bei sämtlichen Getreidekulturen gerechnet. Betreffend der Qualität wird eher vom Durchschnitt ausgegangen. Bei den späträumenden Feldfrüchten wird aufgrund des derzeitigen Entwicklungsstandes ebenfalls von einer überdurchschnittlichen Ernte ausgegangen. Hier kommt es jedoch noch auf den weiteren Entwicklungsverlauf in den Sommermonaten an.
Grafiken: LKÖ/Erhardt Fotos: Claudia Jung-Leithner, LK Wien/Scheiblauer