Landesbauernrat: Wiener Bauernbund rüstet sich „im Jahr der Entscheidungen“
Es schwang in jeder Rede mit und war auch einhellige Meinung in der mehr als einhundert Personen zählenden Delegiertenschar am Wiener Landesbauernrat, der im Raiffeisenhaus am Wiener Donaukanal über die Bühne ging: „Wir brauchen Europa, doch Kritik darf sein. Wir müssen Dinge ändern, die geändert gehören.“
Der Wiener Bauernbund rüstete sich „im Jahr der Entscheidungen“, wie Bauernbunddirektorin Elisabeth Wolff das Jahr 2024 nannte, für den Wahlkampf, stehen doch zwei gewichtige Wahlgänge, die Europawahl am 9. Juni und die Nationalratswahl am 29. September, vor der Tür. Bauernbundobmann LK-Präsident Norbert Walter konnte dazu hohe und höchste Polit-Prominenz begrüßen, die für positive Aufbruchstimmung unter den Bauernbund-Funktionärinnen und -Funktionären sorgten. Da referierten Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher, der Abgeordnete zum Europäischen Parlament Alexander Bernhuber, Bauernbundpräsident Georg Strasser sowie der Hausherr, Raiffeisen-Verbands-Generalsekretär Johannes Rehulka und sorgten nach den Berichten des Finanzreferenten Michael Höfler, des Obmanns Norbert Walter und der Direktorin Elisabeth Wolff für rege Diskussionen.
Walters Einladung folgten zudem Ehrenobmann Franz Windisch, das Präsidium mit Obmann-Stellvertreter LK-Vizepräsident Martin Flicker, Obmann-Stellvertreterin Ulrike Jezik-Osterbauer, Obmann-Stellvertreter Michael Niedermayer, die LK-Vizepräsidentin Irene Maria Trunner, die Kammerräte Anneliese Schippani, Matthias Kierlinger und Sabine Keri, VP-Wien-Obmann Karl Mahrer, seine Stellvertreterin Elisabeth Olischar, Landesgeschäftsführer Peter Sverak und dessen Stellvertreter Lorenz Mayer, die Vizepräsidentin der Wiener Wirtschaftskammer Katarzyna Greco, der Generalsekretär der Jagd Österreich, Jörg Binder und Wiens Weinkönigin Iris-Maria Wolff.
ÖRV-Generalsekretär Rehulka hob in seiner Begrüßungsansprache die enge Verbindung von Wirtschaft und Landwirtschaft hervor. Diese Kombination sei ein Eckpfeiler nicht nur der Raiffeisenorganisation, sondern mit den Werten Freiheit und Eigentum einer bürgerlichen Politik insgesamt. Raiffeisen Österreich gäbe mit einer Wertschöpfung von insgesamt 13 Milliarden Euro, einer Steuerleistung von 3,7 Milliarden Euro und der Sicherung von 93.000 Arbeitsplätzen ein Zeugnis davon, so Rehulka.
Nach dem Bericht des Finanzreferenten Höfler („solides Finanzergebnis“) machte Obmann Walter deutlich, dass nur ein gemeinsames Vorgehen für Wiens Stadtlandwirtschaft Erfolg brächte. „Wiens Landwirtschaft will sich weiterhin nach vorne bewegen“, so Walter, das ginge jedoch nur gemeinsam. Die Partner für die jeweiligen Erfolge seien das österreichische Parlament, die Bundesregierung bzw. die Stadt Wien und auch die Europäische Union gewesen, die beispielsweise bei den Themen Saisonarbeitskräfte oder verbilligte Energie für Wien-adäquate Lösungen sorgten.
In ihrem Bericht beschrieb Bauernbunddirektorin Wolff einen Bogen von den kommenden Wahlen auf europäischer und nationaler Ebene bis hin zu den Themen, die vor allen den EU-Wahlkampf dominieren: Reform des „Green Deal“, Reduktion übermäßiger Ukraine-Agrargüter-Importe auf ein für die EU-Landwirtschaft erträgliches Ausmaß und Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Wolff dazu: „Schon jetzt beginnt die Planung für die GAP 2028. Wenn die Landwirtschaft dabei etwas mitreden will, muss sie auch in der Lage sein mitzuentscheiden. Das setzt eine entsprechende Stärke im Europäischen Parlament voraus.“
Auch Bauernbundpräsident Strasser verwies auf den Zusammenhang zwischen einer möglichst starken Vertretung im Europäischen Parlament und der daraus erwachsenden Möglichkeit, Fehlentwicklungen auf europäischer Ebene zu korrigieren: „Wir können die Dinge, die uns ärgern, nur ändern, wenn wir stark genug sind“, so der Wahlaufruf des obersten Bauernbundfunktionär Österreichs.
Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher nannte in seiner Ansprache vier künftige „Herausforderungen, die für die Wirtschaftsbetriebe ebenso Geltung haben, wie für die Landwirtschaftsbetriebe“. Herausforderung 1: „Alle Beteiligten leiden unter den hohen Energiekosten“, so der Minister, was sich auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirke. Als zweite Herausforderung identifizierte Kocher den „Wettbewerb um Arbeitskräfte“, wie er es nannte. Wörtlich: „In den nächsten 15 Jahren wird eher der Arbeitskräftemangel als die Arbeitslosigkeit das Problem sein.“ Und das gelte natürlich auch für die Landwirtschaft. Als dritten Punkt nannte der gebürtige Tiroler die Überbürokratisierung. Diese raube den Betrieben Zeit für Ideen und Innovationen. Kocher betonte, dass es dabei nicht nur um erhöhte Kosten ginge: „Zu viel Bürokratie schreckt die Jungen ab, den Betrieb eines Tages zu übernehmen.“ Hier sieht er eine Kernaufgabe der nächsten Europäischen Kommission. Und als vierten Punkt nannte Kocher dem Publikum im 20. Stock des Raiffeisenhauses ein Muss für den Gemeinsamen Markt: „Hier muss es fairen Wettbewerb geben. Und das gilt auch für das Inland; beispielsweise zwischen den Anbietern und dem Handel.“
In der darauffolgenden Diskussion beantworte Kocher Fragen zur Lehrlingssituation, zur „Rot-Weiß-Rot-Card“, zum Themenbereich Betriebsübernahmen und Stellung der Landwirte in der Gesellschaft und zum reformbedarf im Beschussamt.
Der Spitzenkandidat des Österreichischen Bauernbundes für die Europawahl, Alexander Bernhuber, setzt sich als Mitglied des Europäischen Parlaments vor allem im Agrar- und im Umweltausschuss für die Anliegen der Bäuerinnen und Bauern ein. Auch er unterstreicht in seiner Ansprache die Notwendigkeit der EU für die heimische Landwirtschaft, betont aber gleichzeitig in vielen Bereichen Reformnotwendigkeit: „Dass der Klimawandel eine Antwort gebraucht hat, ist klar. Der ‚Green Deal‘ schießt jedoch mit bald 140 Gesetzen und Verordnungen weit übers Ziel hinaus. Wir brauchen keine Verbotspolitik, sondern eine Politik des Förderns und Unterstützens. So erreicht man das gewünschte Ergebnis.“ Bernhuber macht den Zuhörerinnen und Zuhörern auch klar, dass Politik auf europäischer Ebene immer die Suche nach dem Kompromiss ist. Warum das so sei? Selbst die größte Fraktion, die Europäische Volkspartei, der auch die ÖVP angehört, habe nur 25 Prozent der Stimmen. Bernhuber: „Das ist jedes Mal aufs Neue ein Suchen nach Mehrheiten“, was bei der Pflanzenschutzmittel-Verordnung oder der Herkunftskennzeichnung für Honig gelungen sei.
In der darauffolgenden Runde waren die europäischen Bauernproteste, die Wölfe, das Patent auf Saatgut, der europäische Führerschein und die noch offene Verordnung zur „Wiederherstellung der Natur“ heiß diskutierte Themen.
Den Abschluss des Landesbauernrates machten Ehrungen verdienter Mitglieder. Bauernbundobmann Norbert Walter zeichnete folgende Personen aus:
- Rosa Fuchs, Simmering, „Dank und Anerkennung des Wiener Bauernbundes“
- Hans Muth, Döbling „Goldenes Ehrenzeichen des Wiener Bauernbundes“
- Johann Schwarzinger, Simmering, „Goldenes Ehrenzeichen des Wiener Bauernbundes“
Fotos: Harald Klemm