Alexander Bernhuber, Alexander Jezik-Osterbauer: „EU-Wahl am 9. Juni: Es braucht eine Kurskorrektur“
Alexander Bernhuber ist der agrarische Spitzenkandidat bei der EU-Wahl am 9. Juni.
Auf Wiener Landesebene kandidiert Alexander Jezik-Osterbauer ebenfalls für ein Mandat in Brüssel. Im Interview mit Interview mit Hans Maad (Agrar Wien Aktuell) nehmen die beiden Politiker Stellung zu aktuellen EU-Themen.
Europaweit gehen die Bauern auf die Barrikaden. Welchen Anteil daran hat die Brüsseler Agrarpolitik?
Alexander Bernhuber: In den vergangenen Jahren wurden auf europäischer Ebene viele Entscheidungen getroffen, die für viele in der Landwirtschaft unverständlich waren. Stark ideologisch motivierte Gesetzesvorschläge, die nichts mit Bürokratieabbau oder Förderung der regionalen Landwirtschaft zu tun haben, waren sicherlich Mitauslöser für die Demonstrationen. Ich habe volles Verständnis dafür.
Alexander Jezik-Osterbauer: Ein Beispiel für diese unverständlichen Vorschläge ist das SUR-Abkommen zum Pflanzenschutz. Dieses hätte die Landwirtschaft im urbanen Raum nahezu unmöglich gemacht. Alexander Bernhuber hat großen Anteil daran, dass dieses Abkommen verhindert wurde.
Die Proteste der Bauern scheinen zu wirken. Wie weit wird der „Green Deal“ entschärft?
Bernhuber: Der Green Deal darf nicht zu einer Einschränkung der Produktion in Europa führen. Aus dem Green Deal muss ein Wohlstands-Deal werden, welcher die Versorgungssicherheit gewährleistet und ausbaut. Dafür ist es wichtig, dass wir einheitliche europäische Standards haben und diese auch für Importe aus anderen Ländern geltend machen. Ich denke hier etwa an das an MERCOSUR-Handelsabkommen oder Kartoffelimporte aus Ägypten.
Jezik-Osterbauer: Der Green Deal muss überarbeitet werden. Er sollte eine Chance und keine Einschränkung sein. Auch die Regionalität gehört gesteigert und die Lebensqualität der Landwirte gehört ebenfalls gesteigert. In Österreich produzieren wir in höchster Qualität, das gehört wertgeschätzt.
Zollfreie Importe aus der Ukraine bringen die Preise von Weizen, Mais und sogar Zucker unter Druck. Das geht zu Lasten unserer Bauern. Ist das Problem in den Griff zu bekommen?
Bernhuber: Wir müssen das in den Griff bekommen. Wir müssen die Importe aus der Ukraine wieder zurück auf das Vorkriegsniveau bringen. Dazu braucht es Regelungen für Kontingente und Zölle sowie strenge Qualitätskontrollen. Es muss aber genauso unser Ziel sein, Korridore für den Transport in Entwicklungsländer zu schaffen, in denen das Getreide benötigt wird.
Jezik-Osterbauer: Wir setzen uns dafür ein, mit Qualitätskontrollen und strengeren Regulierungen das Problem zu lösen. Dazu braucht es die richtige Vertretung in Brüssel.
Das Schlagwort „Entbürokratisierung“ ist in aller Munde. In der Praxis nehmen die bürokratischen Auflagen für die Landwirte aber ständig zu. Wie glaubwürdig ist die EU-Agrarpolitik noch?
Bernhuber: Ein Abbau hat in den letzten Jahren definitiv nicht stattgefunden. Jetzt befragt die EU-Kommission in einer Onlineumfrage direkt die europäischen Landwirte zu konkreten Entlastungsmaßnahmen. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse. Einiges wäre rasch umzusetzen, wenn der politische Wille da ist. Unser Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig hat 26 Punkte, von möglichen Anpassungen nach Brüssel gemeldet. Diese Vorschläge einfach umzusetzen, würde schon eine deutliche Entlastung bringen.
Jezik-Osterbauer: Ständig weitere bürokratische Auflagen kosten Zeit, welche die Landwirte kaum haben. Umso mehr gilt, mit der richtigen Vertretung im Europäischen Parlament können wir eine Vereinfachung erreichen.
Sie setzen sich für eine Wertsicherung der Agrarprämien ein. Wie realistisch ist die Umsetzung dieser Forderung?
Bernhuber: Österreich hat es mit der Inflationsanpassung der 2. Säule vorgemacht und eine vergleichbare Lösung brauchen wir auch für die Mittel aus der 1. Säule, also bei den Direktzahlungen. Sollte der EU-Haushalt neu verhandelt werden, muss am Ende eine Anpassung für die Agrargelder stattfinden und wenn Brüssel hier nicht unterstützen will, dann muss es zumindest den Mitgliedsstaaten freigestellt werden, auf nationaler Ebene Anpassungen vorzunehmen.
So mancher zweifelt am Hausverstand, wenn Kuhrülpser als Klimabedrohung eingestuft werden während gleichzeitig der Flugverkehr immer mehr zunimmt. Warum ist der Flugverkehr immer noch so stark begünstigt?
Bernhuber: Das ist mir auch ein Dorn im Auge. Kein Mensch versteht das mehr. Die Europäische Landwirtschaft ist gerade einmal für rund 1% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wir brauchen hier wieder einen Fokus auf die tatsächlichen Fakten. Abgasnormen für Frachtschiffe oder Treibstoffbesteuerung auf Kerosin wären ein wesentlich wichtigerer Beitrag gegen den Klimawandel als Güllegrubendeckel. Statt ständig neue Bürokratie, Strafen und Verbote zu schaffen, sollte man mehr auf Anreize und Entlastungen setzen.
Jezik-Osterbauer: Gerade wir Landwirte zeigen, wie Klimaschutz mit Hausverstand funktioniert. Durch die Produktion von verschiedenen Lebensmitteln halten wir einen nachhaltigen Kreislauf ein. Keiner von uns würde die Böden so bearbeiten, dass sie nicht mehr nutzbar sind. Wir sind dahinter, dass die nächsten Generationen dieselben Standards, wenn nicht bessere, wie wir haben. Die Bodenversiegelung ist der absolut falsche Weg für die Klimaveränderung.
Die Landwirtschaft ist bei Stickstoff sowie beispielsweise Kali-Quellen stark vom Einfluss Russlands abhängig. Kann man diese Abhängigkeit vermindern?
Bernhuber: Unser großes Ziel muss sein, Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Europa weiterhin sicherzustellen.
Der Verkauf der Borealis Düngemittelsparten an Agrofert hat uns leider gezeigt, dass wir hier auch national Fehler machen. Fakt ist, wir brauchen mehr denn je Unabhängigkeit in der Produktion von z.B. Düngermitteln und gleichzeitig eine gute Verteilung unserer Internationalen Partner, wenn es um Rohstoffe wie Kali geht, über die wir in Europa nicht in ausreichender Menge verfügen. Hier hat die Kommission meiner Meinung nach einen sehr vernünftigen Weg aufgezeigt: Wir müssen eigene Ressourcen besser nutzen, uns unabhängiger von einzelnen Ländern machen und hier wohl auch neue Partnerschaften eingehen.
Laut Umfragen zeichnet sich bei der EU-Wahl ein Rechtsruck im Europäischen Parlament ab. Wie wäre eine solche Entwicklung aus bäuerlicher Sicht zu bewerten?
Bernhuber: Gerade bei agrarischen Themen sind in der vergangenen Periode viele Abstimmungen im EU-Parlament oft knapp zugunsten einer Allianz aus Kommunistischen, Grünen, Sozialistischen und Liberalen Abgeordneten ausgegangen. Diese Mehrheit könnte nach aktuellen Prognosen verloren gehen und wir können darauf hoffen, dass wir wieder vermehrt zu Mehrheiten der Mitte finden.
Jezik-Osterbauer: Mit der politischen Mitte haben wird die größten Möglichkeiten, unsere Forderungen umzusetzen.
Die linke Mehrheit sieht es meistens anders als wir. Aber auch mit der Einstellung der rechten Parteien zur EU, die selbst den ÖXit nicht ausschließt, sehe ich hier keine rosige Zukunft. Wir wollen Lösungen finden, die motivieren und zukunftsorientiert sind, nicht verbieten und einschränken.
Um welche wichtigen Weichenstellungen für die Bauern geht es in der nächsten EU-Legislaturperiode?
Bernhuber: Es braucht eine Kurskorrektur der Agrarpolitik. Viele der jüngst beschlossenen Gesetze wie die Entwaldungsverordnung oder Industrieemissionen-Richtlinie gehören dringend praxistauglich überarbeitet. Eine Überarbeitung der aktuellen GAP, insbesondere von GLÖZ 6, GLÖZ 7 und GlÖZ 8, steht im Raum und nach den Wahlen werden dann die Diskussionen zur der GAP2027+ beginnen. Da ist es mehr als notwendig, dass es zu einer entsprechenden finanziellen Anpassung kommt und dass manche Regelungen überdacht werden.
Jezik-Osterbauer: Es wird einiges auf uns zukommen. Deswegen ist es so wichtig, eine starke Vertretung für uns Gärtner, Winzer und Bauern in Brüssel zu haben. Geeint ist vieles möglich, also halten wir zusammen.
Wir teilen viele Probleme, kämpfen wir dafür, dass wir diese gemeinsam lösen.
Um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei ist es ruhig geworden. Wird das Thema in der nächsten Periode wieder auf die Tagesordnung kommen?
Bernhuber: Also da halte ich es mit unserem Bundeskanzler, Karl Nehammer: Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU ist für uns nicht vorstellbar. Wir sind für eine weitere Annäherung und nachbarschaftliche Zusammenarbeit, aber es ist wichtig, dass wir ehrlich miteinander umgehen, und dazu gehört auch, die seit Jahren eingefrorenen Beitrittsverhandlungen auch offiziell zu beenden und keine falschen Erwartungen zu schüren.
Jezik-Osterbauer: Auch ich unterstütze voll und ganz die Aussage unseres Bundeskanzler Karl Nehammer. Ich denke die weitere Behandlung dieses Themas wird sehr stark mit den zukünftigen Weltereignissen zusammenhängen.
Fotos: European Union / Philippe Buissin, Philipp Monihart, Europäisches Parlament